Trendwende: The Privacy Advantage

Nun gibt es den USA einen wirklich schönen neuen Begriff:

The Privacy Advantage„.

Hier bezieht sich der Begriff auf neue Privacy-Settings bei Facebook, die offensichtlich die höchst simple Idee der Circles in Google Plus abkupfert: Eine Status- oder Like-Meldung nicht per Default der ganzen Welt mitzuteilen, sondern aktiv zu entscheiden, wer sie lesen soll (vgl. Circles: Das Comeback der Privacy).

Das Bemerkenswerte ist, dass Privacy i.S.v. Datenschutz nun als Produktvorteil bewertet wird. Eine Trendwende!

Zuletzt schien der Wind noch in die entgegengesetze Richtung zu wehen. Da wurden Postprivacy-Utopien entwickelt, die „German Angst“ wurde bemüht, und deutsche Datenschützer mussten sich einige Beschimpfung gefallen lassen, weil sie Google und Facebook und das Tracking der Online-Nutzer durch die Werbeindustrie ins Visier genommen hatten. Nur ein Beispiel:

„Der Paternalismus und die Omnipotenzphantasie von Thilo Weichert (der oberste Datenschützer von Schleswig-Holstein, Anm. VDSetal) werden nur noch ganz knapp von der katholischen Kirche übertroffen.“ (Mario Sixtus auf Twitter).

Als paternalistisch wird eine

„Handlung bezeichnet, wenn sie gegen den Willen, aber auf das Wohl eines anderen gerichtet ist“.

Anschnallpflicht und Rauchverbot sind bekannte Beispiele dafür. Nur passen diese Vergleiche schlicht nicht in die Datenschutzdebatte. Niemandem soll gegen seinen Willen verboten werden, sich auf Facebook zu outen oder sich sich von Google und INFOnline tracken zu lassen oder 3rd-Party-Cookies zu akzeptieren. Das kann jeder gerne tun. Der Datenschutz fordert vielmehr, dem User tatsächlich die Wahl zu geben, ob sie dies denn möchten, und sie nicht vor vollendete und gar versteckte Tatsachen zu stellen.

Damit steht Datenschutz immer in der logischen Nähe von Verbraucherschutz, daher auch gerne Vergleiche mit der vieldiskutierten Lebensmittelampel. Da sagt dann die Postprivacy-Geman-Angst-Fraktion, eine solche Ampel würde den mündigen Bürger für dumm vekaufen, weil man ihm nicht zutraue, die Kalorienangaben auf der Packung zu lesen. Aber:

„nur ist ja genau diese kalorienangabe auf der verpackung bereits ein ergebnis von regulierung und verbraucherschutz.“ (Felix Schwenzel)

Wenn man aber sieht, wie viele Menschen an Übergewicht leiden, bis hin zu kleinen Kindern, dann fragt man sich, ob kleingedruckte Kalorienangaben ausreichen oder eben doch eine plakativere Ampel wünschenswert wäre. Damit wird niemandem verboten, sich fett zu fressen. Aber es wird es den sog. bildungsferneren Schichten leichter machen, sich gesünder zu ernähern. Aber auch „bildungsnahe“ Menschen haben es dann leichter, sich zu orientieren.

Mit kleingedruckten Datenschutzhinweisen im Internet verhält es sich ähnlich wie mit kleingedruckten Kalorienangaben. Mit einem großen Unterschied: Das Internet ist deutlich neuer als Lebensmittel. Ältere Menschen haben keine echte Chance, Techniken wie Cookies oder gar Ever-Cookies zu verstehen, sie wurden noch nicht in allen Frauen-, Boulevard- und Sportzeitschriften kommuniziert.

Paternalismus heißt „väterlich“: Die Alten schützen bzw. bevormunden die Jungen. Heute dreht sich der Spieß um: Die Jungen sollen die Alten schützen. Es sind wir Jungen, die bei den alten Eltern die Browser so einstellen, dass Cookies nach jeder Sitzung gelöscht werden und Do-Not-Track aktiviert wird. Wenn unsere Eltern das nicht wollen, können sie es ja wieder ändern.

Schon bald wird es heißen: Browser XY hat einen Privacy Advantage, weil er per Default 3rd-Party-Cookies blockt und Do-Not-Track voreingestellt hat.

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2 Antworten zu Trendwende: The Privacy Advantage

  1. Christian Scholz schreibt:

    „… weil er keine Verbindung zum Internet mehr aufbaut“ 😉

    Allerdings, dass Facebook mal wieder versucht, die Pribatsphäreeinstellungen zu verbessern, ist ja nichts neues. Auch, dass in den USA Privacy nicht ganz auf 0 steht, auch. Und ich bin ja auch nicht gegen mehr Kontrolle, aber trotzdem muss man sich ja auch fragen, wann sie genau was bringt. Wenn ich nur nervige Popups wegklicken muss, wahrscheinlich nicht.

    Man muss hier halt den richtigen Mittelweg finden. Da finde ich z.B. das generelle Blocken von Cookies schon wieder zu weitgehend, da man sich damit auch ganz viel Funktionalität abschneidet. Und man muss sich ausserdem vor Augen halt, dass ja nichtmal Power-User genau verstehen können, was die Freigabe welcher Daten heute oder in 10 Jahren bedeutet. Hier ist halt eben trotzdem ein gewisser Kontrollverlust hinzunehmen.

    Mein Ansatz ist daher, lieber erstmal die Probleme zu analysieren. Denn eines ist auch klar: Auf die richtige Lösung kommt man nur durch Ausprobieren. Weiß am Anfang jemand, wieviel Datenschutz sinnvoll oder gar problematisch ist? Weiß man vorher, wie man die Einstellungen am geschicktesten umsetzt? Und werden sie dann im Endeffekt auch genutzt? und wie?

    All das lernt man halt durch Ausprobieren. Ausprobieren heißt aber Risiken eingehen und mein Problem mit Deutschland ist daher eher, dass man sich das hierzulande eben nicht traut.

  2. Keddy schreibt:

    „Heute dreht sich der Spieß um: Die Jungen sollen die Alten schützen. Es sind wir Jungen, die bei den alten Eltern die Browser so einstellen, dass Cookies nach jeder Sitzung gelöscht werden und Do-Not-Track aktiviert wird. “
    Solch einen Quatsch habe ich schon lange nicht gehört. Ich bin ein paar Monate vor dem 60.Lebensjahr und beschäftige mich seit dem 16ten Geburtstag mit EDV. Bis jetzt hab ich immer Rechner bei mir von möchte gern NERDS auf dem Tisch stehen, bei denen alle Tore offen sind, wogegen Ältere vorsichtiger sind und sich erst mal alles durchlesen bevor sie etwas installieren.
    Der ganze FB-Ärger liegt doch eigentlich daran, dass einige Nichtswissende ( im Endeffekt sind sie Nieten) Sachen auf ihren Seiten installieren wovon sie überhaupt keine Ahnung haben. Beste Beispiele sind ZDF und ARD. Hier werden sogar noch GEZ-Gebühren für Nichtwissende verschleudert.

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